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Objekt gefertigt Mai 2016

Zitat aus „Gehen, Ging, Gegangen“ von Jenny Erpenbeck | Albrecht Knaus Verlag; 6. Auflage | August 2015 | Seite 164-165 , Seite 282, Seite 299, Seite 340-341, Seite 348


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„Sein Kopf fällt ihm beinahe auseinander vor Schmerzen, Awad will nicht denken, aber er muss, das Denken ist in seinen Kopf eingesperrt und stößt von innen gegen den Schädel. Seit halb vier Uhr in der Frühe geht das schon so, schwindlig ist ihm vor Müdigkeit, und doch muss er seinen Kopf hergeben für dieses wildgewordene Denken, muss denken und will nicht, muss sich erinnern und will nicht, seit halb vier Uhr in der Frühe ist ihm übel von diesem Denken und diesem Erinnern, das seinen Kopf besetzt hat, seit halb vier Uhr früh ist er schon wach, erst hat er auf dem Bettrand gesessen und gehofft, dass es irgendwann wieder aufhört und er einschlafen kann.“

„… und er schafft es nicht, sich all diese Gedanken selbst aus dem Kopf zu ziehen, all die Splitter stecken in seinem Kopf, während er Teewasser aufsetzt, das Denken steckt in seinem Kopf wie ein zersplittertes Tier, wenn er nur einen anderen Kopf haben könnte, …“

„Immer Guten Morgen, denkt Richard, mehr kann man nicht wünschen.“

„Führt der Frieden, den sich die Menschheit zu allen Zeiten herbeigesehnt hat und der nur in so wenigen Gegenden der Welt bisher verwirklicht ist, denn nur dazu, dass er mit Zufluchtsuchenden nicht geteilt, sondern so aggressiv verteidigt wird, dass er beinahe schon selbst wie Krieg aussieht?“

„Richard sieht den Mann da oben stehen, über der Stadt, und denkt an den Toten, unten im See, und plötzlich kommt ihm das Warten wie eine Klammer vor, die alles, was zu ebener Erde geschieht, umfasst.“

„Raschid hat Richard in einem der Gespräche gesagt, nicht einmal die Erinnerung an das schöne Leben mit seiner Familie sei ihm ein Trost, weil diese Erinnerung nur mit dem Schmerz über den Verlust verbunden sei, und nichts außerdem da sei. Am liebsten würde er die Erinnerung von sich abschneiden, hatte Raschid gesagt. Cut. Cut. Ein Leben, in dem eine leere Gegenwart besetzt ist von einer Erinnerung, die man nicht aushält, und dessen Zukunft sich nicht zeigen will, muss sehr anstrengend sein, denkt Richard, denn da ist, wenn man so will, nirgends ein Ufer.“

„Damals, glaube ich, sagt Richard, ist mir klargeworden, dass das, was ich aushalte, nur die Oberfläche von all dem ist,was ich nicht aushalte. So wie auf dem Meer?, fragt Khalil. Ja, im Prinzip genauso wie auf dem Meer.“